Die Künstlerinnen und Künstler in Österreich sind angefressen. Der Staat lasse sie im Regen stehen, einfach nicht auftreten und unterstütze sie auch finanziell unzureichend. Es zeige sich also, dass Kunst damit als nicht „systemrelevant“ eingestuft werde.
Die Wut darüber staute sich jedenfalls im kollektiven österreichischen Künstlergeist auf und fand vor kurzem ihren Ausbruch in einem Video vom Kabarett-Altmeister Lukas Resetarits. In der „Zeit im Bild 2“ bei Armin Wolf legte er diesbezüglich noch einmal nach. Er brachte zudem, wie Wolf selbst meinte, etwas „unernste“ Vorschläge wie Auftritte in Baumärkten & Co. als Lösungsvorschläge ein.
Der Applaus seiner Künstler-Kollegen war ihm damit sicher. Der Zuspruch von Kunstschaffenden und Kultur-Veranstaltern ebenso. Exemplarisch lobte etwa der Innsbrucker Kultur-Zampano Norbert Pleifer Resetarits für seinen „heiligen Zorn“.
Vor allem, dass die Grüne Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek abermals Kritik einstecken musste und Resetarits die Wolf-Frage ob er ihren Rücktritt fordere mit einem saloppen „es ist schon wurscht“ quittierte, fand allgemeinen Anklang der Künstlerschaft. Weil sie da der „heilige Zorn“ mit einer typisch österreichischen Haltung vereinigte: Der Wurschtigkeit, die mit dem „sich durchwurschteln“ eng verwandt ist.
Denn das ist die Realität viele österreichischer Künstler – auf mehreren Ebenen: Man wurschtelt sich zuallererst auf finanzieller Ebene durch. Viele Künstler verdienen gerade einmal so viel, dass es zum Sterben zu viel und zum Leben eher zu wenig ist. Das bedeutet entweder ein bescheidenes Leben im Prekariat oder das Ausüben eines ungeliebten Brotberufes im Nebenerwerb.
Die Grundhaltung hinter alldem: Bloß nur nicht aufs Ganze gehen und sich nur nicht radikal selbst auf sein Künstlersein und die eigene künstlerische Relevanz hin befragen. Diese Selbstbefragung könnte nämlich eher problematisch ausfallen. Was wenn man merkte, dass man eigentlich nur Kellnerin oder Kellner ist, die nebenher höchst mittelmäßige Kunst produziert? Was, wenn merkte, dass es zwar nicht an Talent, aber an Mut, Kompromisslosigkeit und Arbeitseifer fehlt?
Zu dieser Ablehnung einer schonungslosen Selbstbefragung kommt in Österreich auch eine fast schon unverschämte Erwartungshaltung gegenüber dem Staat zutage. Dieser müsse quasi mit Stipendien und sonstigen Unterstützungen das eigene Künstlersein mittragen. Tut er das nicht oder nur eingeschränkt, wie gerade im Moment, dann muss sich ebenjener und die ausführende Bundesregierung harsche Kritik, „heiligen Zorn“ und ungefilterte Wut gefallen lassen.
Nun hat der Staat zweifellos seine größeren und kleineren Kulturinstitutionen zu fördern, damit eine adäquate Kultur-Infrastruktur besteht und bestehen bleibt. Er hat in der gegenwärtigen Krise auch klare Perspektiven zu geben, wann und wie wieder aufgetreten und gespielt werden kann. Diesbezüglich ist die Wut von Resetarits gut verständlich und legitim.
Nicht verständlich ist aber der Subtext, dass der Staat Künstlern finanziell so unter die Arme greifen müsse, damit sie über die „Krise“ kommen und ihre Kunst nicht an den Nagel hängen müssen. Auch kleine und größere Unternehmer sind nämlich ebenso in der Krise, nicht zuletzt Gastronomen.
Bei letzteren beiden gab und gibt es Beispiele, wie sich diese, ganz ohne überschießende Forderungen an den Staat, über die Krise retten. Etwa indem sie ihre Fertigkeiten adaptieren und Geschäftszweige ganz neu denken.
Mir persönlich ist kein Beispiel von Künstlern bekannt, die sich in diesem Zeitraum ähnlich neu erfanden und damit ihre Wandlungsfähigkeit bewiesen. Stattdessen herrscht eine fast schon trotzige Haltung vor mit der Forderung, dass sie der Staat endlich retten solle. Eine Einstellung, die leider nicht für deren Unternehmergeist spricht.
Denn darum ginge es jetzt: Innovationsgeist und Mut sich mit Märkten und dessen Möglichkeiten zu beschäftigen. Sich zu fragen, wie die eigenen Fertigkeiten dort temporär einen neuen Platz finden könnten. Das alles sollten sich Künstler fragen, statt in einem explizit antikapitalistischen Elfenbeinturm zu verharren – und von Tag zu Tag wütender zu werden auf die untragbaren Verhältnisse und die Politik, die diese zu verantworten habe.