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Ausländer rein

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Die vergangenen Jahre habe ich vorwiegend in Wien verbracht, weil mir die Bundeshauptstadt mehr Lebensqualität bietet als mein Heimatland Tirol. In Wien ist die „Ausländerquote“ (wie sich das anhört!) eine bedeutend höhere als in meiner Heimat. Was die „Ausländerfeindlichkeit“ anlangt, war sie aber meiner Wahrnehmung hier wie dort ziemlich gleich. Mit Corona scheint sich jetzt ein Umdenken, was die „Ausländer“ betrifft, breitzumachen.

Denn inzwischen werden Pflegekräfte mit Sonderzügen aus Osteuropa nach Österreich gebracht und mit „Herzlich willkommen“-Schildern am Bahnhof empfangen. Mit Flugzeugen kommen Erntehelfer aus der Ukraine in unser Land. Wanderarbeiter, wie es so schön heißt, sind in ganz Österreich heiß begehrt. Nur im Tourismus sind momentan keine „Kontingente“ aus Drittländern notwendig, weil es diesen Sommer kaum Tourismus geben wird, auch wenn Deutschland die Grenzen nach Österreich öffnen will. Unsere lieben deutschen Nachbarn, die gewöhnlich in jedem Winkel der Erde „auftauchen“, drängen auch hinaus.

Interessant jedenfalls ist, wie sich hierzulande das Verhältnis zu den Ausländern geändert hat. Noch vor einiger Zeit hat die geniale türkisblaue Regierung den ausländischen Pflegekräften die Familienbeihilfe gekürzt, als Dank dafür, dass sie unsere Pflegebedürftigen rund um die Uhr betreuen, diesen die Hintern säubern, ihre eigenen Kinder zurücklassen und bei uns brav Steuern bezahlen. Jetzt gehören sie plötzlich auch zu den Heldinnen der Nation, damit sie bei uns die Schwerarbeiten verrichten, die wir Österreicher selbst nicht bewältigen können.

Aktuell haben wir zwar knapp 550.000 Arbeitslose und über eine Million Kurzzeitarbeiter, aber anscheinend will von denen keiner den tüchtigen Ausländern die Jobs wegnehmen.

Neulich haben wir im Bekanntenkreis über diese Thematik eine heftige Diskussion geführt. Wir kamen vom Hunderdsten ins Tausendste, warum die Österreicher nicht bereit sind, diese Jobs anzunehmen. Die Bezahlung. Die soziale Hängematte. Die Faulheit der Landsleute. Ein ganz Böser meinte überhaupt, all den arbeitslosen Jammerern in der Kunstszene würde ein Job als Helfer in einem Altersheim oder auf den Äckern und Feldern sicher gut tun. Das würde bestimmt für Blutauffrischung in der Kunst sorgen. Auch wäre ihnen der Applaus der Bevölkerung sicher, weil sie dann ja auch zu den neuen Helden und Heldinnen gehören würden. Dieser böse, unkultivierte Mensch ist natürlich als Pensionist nicht mehr zum Helden geeignet. Außerdem ist er auch kein Künstler und versteht davon überhaupt nichts. Aber interessant, auf welche Gedanken Menschen in Krisenzeiten kommen.

Jedenfalls hoffe ich bald wieder nach Wien reisen und mein Stammcafe besuchen zu können, wo wir Einheimische mit Kuchen und Melange von freundlichen und sympathischen „Ausländern“ bestens bedient werden.

Elias Schneitter, geboren und aufgewachsen in Zirl/Tirol. Lebt in Wien. Erste Publikationen ab 1976, vorwiegend in Literaturzeitschriften (Fenster, Rampe, Wespennest, Kolik, Literatur und Kritik, protokolle, etc...) und Hörspiele im Rundfunk. Zur persönlichen Website
Mitbegründer und Kurator des internationalen Literaturfestivals "sprachsalz" (www.sprachsalz.com) in Hall Tirol. Zur Sprachsalz Website
Leitung der "edition-baes" - Zur Website, wo der Schwerpunkt auf US-amerikanische Underground Literatur gelegt wird.

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