Für manche Berufe ist ein Unglück geradezu Voraussetzung dafür, in den Medien Aufmerksamkeit zu erheischen. So hat man in der vergangenen Schisaison vor allem von Knochenbrüchen, Bänderrissen und abgestumpften Gelenkspfannen gelesen, weil sogenannte Stockerlplätze ausgeblieben sind. Vom Stockerlplatz ins Stockerlbett, lautet die Devise des österreichischen Nationalteams, das mittlerweile bei Operationen jedes Jahr Sieger in der Nationenwertung wird.
„Wenn ich schon nicht gewinnen kann, dann breche ich mir was, damit ich meinen Werbeauftritt erfüllen kann!“
Ähnlich vom Unglück abhängig sind Psychologinnen im Frauenhaus. Sie leben vom Unglück anderer, wenn Männer Frauen schlagen zum Beispiel. Im Ausnahmezustand einer Pandemie kommen freilich auch unerwartete soziale Komponenten zutage.
So glaubte bislang jeder, die Ausgangssperre führe zu vermehrter Gewalt gegen Frauen. Eine Kotzbühler Betreuerin ist atem- und fassungslos, wenn sie verkündet: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Männer zu Hause friedlich sind. Die üben wohl eine solche Gewalt aus, dass sich die Frauen nicht mehr bei uns anzurufen getrauen.“
Die Frauenbeauftragten können sich fürs erste nicht vorstellen, dass die Männer zumindest in der Krise keine Schweine sind und sich vierzehn Tage lang anständig benehmen. Einen Moment lang sieht es so aus, dass das Geschäftsmodell Frauenhaus zusammenbricht, weil es keine Gewaltausfälle mehr gibt. Natürlich geht es auch bei diesen Einrichtungen um Kohle, denn das System Frauenhaus steht und fällt mit der Liebe der Männer zur Gewalt.
Inzwischen sind alle im Land in Kurzarbeit und es bleibt wieder Zeit für häusliche Gewalt. Die Frauenhäuser sind gerettet.
STICHPUNKT 20|11, verfasst am 29. April 2020