Die von Sepp G. getätigte Aussage „widerwärtiges Luder“ hat zu zahlreichen Schlagzeilen, Kontroversen und Rücktrittsforderungen geführt. Fast zeitgleich mit dem Geisler-Fauxpas ist auch das neue Album von des deutschen Rappers Aykut Anhan erschienen, besser bekannt als Haftbefehl.
Auch dieser sorgt gelegentlich und immer mal wieder für Schlagzeilen. Seine Texte seien frauenverachtend und überschritten Grenzen. Die Lyrics von KMDF sind zumindest explizit. „Koka macht dich feucht. Gib zu, Bitch, du wirst feucht“. Weniger später sinniert Haftbefehl darüber, wie er „Nutten“ auf Kokain „Mambo No. 5“ tanzen lässt. Dazu donnert ein martialischer Beat, repetitive Sounds weisen den Weg.
Fakt ist also, dass die Sprache von Haftbefehl derb und direkt ist. Kritik an seinen Lyrics wurden aber stets damit abgeschmettert, dass es sich bei Haftbefehl sowohl (zum Teil) um eine Kunstfigur handle als auch, dass er schonungslos ansonsten unter den Teppich gekehrt Realitäten in Deutschland aufs Tapet bringe.
Ein Gemeinplatz von post-strukturalistischen Theorien, an denen auch feministische Theorien größtenteils anschließen, ist aber bekanntlich, dass Sprache Realität erschafft. Werden Frauen nur oft genug als „Bitch“ bezeichnet, folgt bald die dahingehende Wahrnehmung und Einordnung.
Folglich ist das „widerwärtige Luder“ von Josef G. nicht nur ein Abbild seines Weltbildes, sondern ein Sprechakt, der Realität erschafft. Indem er die WWF-Aktivistin als „widerwärtiges Luder“ bezeichnet hat, hat er sie nicht nur in der Situation herabgewürdigt und seine männliche Dominanz untermauert, sondern sie und andere ähnlich agierende Frauen gewissermaßen zu potentiell „widerwärtigen Ludern“ gemacht.
Weit man kam er damit allerdings nicht. Sein „Luder-Sager“ wurde vor allem von Frauen aufgegriffen und somit wirkungslos gemacht. T-Shirts mit dem Aufdruck „widerwärtiges Luder“ sind etwa bereits im Umlauf. Das ist ein klassischer Fall einer Selbstaneignung von Begriffen, die gegen einen verwendet wurden. Solche Handlungen entreißen mächtigen männlichen Sprechern ihre Machtposition.
Im Fall von Haftbefehl ist die Situation anders. Rücktrittsforderungen und wirkungsvolle „Entmachtungsversuche“ sind bei ihm nicht zu erwarten. Statt wie im Falle Geisler mit mehr oder weniger kreativen Mitteln letzten Endes eine rücksichts- und respektvollere Sprache zu fordern ist es im Falle Haftbefehle eine Gleichstellung der Mittel.
Wenn die deutsche Rapperin Shirin David im Lied „Conan x Xenia“ auftritt, dann steht sie Haftbefehl in Sachen sprachlicher Derbheit und Direktheit in nichts nach. Die selbsternannte „Boss-Bitch“ gibt ihrem männlichen Gegenpart ordentlich raus und wird folglich von Haftbefehl auch in einem Interview als „selbstbewusste Frau“ gelobt.
Kunstfigur hin, politische Funktion her: Letzten Endes geht es um die Wirkmacht von Sprache und wie wir damit umgehen. Was fordern wir? Wollen wir, dass mit Mitteln der kreativen Widerrede (männliche) Sprecher darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie ihre Sprache bewusster und sensibler verwenden sollen? Oder wollen wir eine radikale Sprache, der wir jeweils mit Stärke und Gegenkraft begegnen müssen?
Die Situation ist komplexer, als sie auf den ersten Blick scheint: Bei der ersten Option lauert (auch) das Gespenst der politischen Korrektheit und den damit auferlegten Sprechverboten. Bei der zweiten Option winkt zwar die Freiheit, grundsätzlich alles sagen zu dürfen, aber es besteht auch die Gefahr der Sprach-Verrohung.
Für welche Option sollen wir uns entscheiden?
Interessanter Zugang und viel Wahres dran. Was mich an der ganzen Debatte aber am meisten stört, ist dass Sepp G. erst so ausfällig wurde, als es ihm nicht gelang, dieser Frau das Wort abzuschneiden. Seither frage ich mich, 1) ob er sich bei einem männlichen WWF-Vertreter auch so benommen hätte, und 2) wie er seine Zuständigkeiten verantwortungsvoll bearbeiten kann, wenn er Umweltschützern, die eine 20.000+ Unterschriften Petition übergeben, nicht ausreden lassen will. Es gibt m.E. sehr gute inhaltliche Gründe für einen Rücktritt Geislers.