Es ist sehr, sehr still geworden. Gleichermaßen in Sachen Live-Kultur als auch in Sachen Online-Streams. Seit Wochen gibt es keine Live-Konzerte mehr, die Streams auf Facebook und auf anderen Kanälen muss man zudem eher suchen als dass man andauernd über sie stolpert.
Das ist eine logische Folge daraus, dass sich Musiker von der Politik nicht ernst genommen fühlen und auch vom Publikum enttäuscht sind. Obwohl es eine Möglichkeit war in den Köpfen der Hörerinnen und Hörer verankert und präsent zu bleiben für eine Zeit nach dem Kultur-Lockdown, war es in Bezug auf Budget und Selbstausbeutung ein Desaster.
Musiker erschöpften sich, auch weil sie es wohl als Aufgabe sahen so oft wie nur möglich zur Stimmungsaufhellung der Bevölkerung beizutragen. In tagtäglichen Live-Streams taten sie das und wunderten sich wenig später darüber, dass sich Bezahl-Methoden nicht mehr etablieren ließen. Wer sich aber erst einmal zum kostenlosen Unterhalter für eine abstrakte und nach Zerstreuung suchenden Online-Masse gemacht hat, verbleibt auch in dieser Nische.
Dass viele Künstler jetzt aus dieser Selbsterkenntnis und dem Eingestehen der eigenen damaligen Fehlentscheidung schweigen fällt nicht mehr ins Gewicht. Wer einst zu geschwätzig war, dessen Schweigen wird aktuell eher als Erlösung denn als Verlust wahrgenommen. Wer erst einmal auf Online-Publikumsseite Überdruss erzeugt hat, dessen Wort ist danach nicht plötzlich kostbar und wertvoll.
Was aber am schwersten wiegt ist, dass es viele heimische Künstler in ihrem Kommunikationsdrang verabsäumt haben nach innovativen Konzepten und neuen Ideen zu forschen. Man hangelte sich von Stream zu Stream, von Posting zu Posting und von kurzfristigem Online-Projekt zu kurzfristigem Online-Projekt.
Dass das mit dem ökonomischen Druck einhergeht, ist evident. Es halt aber auch mit einer gewissen Fantasielosigkeit zu tun. Weiterhin denken viele Musiker, dass man der Bespaßung und der Laune des Publikums verpflichtet ist. Man ist lediglich sauer, dass es diese Versuche nicht ausreichend würdigt und sich finanziell diesbezüglich wenig bis gar nicht erkenntlich gezeigt hat.
Die Musiköffentlichkeit hungert aber gar nicht mehr nach Bespaßung und Zerstreuung. Sie hungert vielmehr danach Antworten darauf zu bekommen, endlich künstlerisch-ästhetische Antworten darauf zu bekommen, wie die Form den Inhalt verändert hat und noch verändern wird. Das geht zwangsläufig darüber hinaus, sich mit Hybrid-Formaten auseinanderzusetzen. Es ist evident, dass es in Zukunft aufgrund der Schutzmaßnahmen eine Mischung aus Präsenz-Kultur und Online-Kultur geben wird.
Natürlich erwartet die Musikinteressierten insgesamt die Situation, dass einige im Konzert vor Ort sitzen werden, während andere zuhause via Stream folgen. Den „Streamern“ könnte man dabei ein vergünstigtes Ticket anbieten, um die Wichtigkeit und den Mehrwert des Live-Erlebnisses zu betonen.
Doch das erscheint allzu grau und ebenfalls wenig kreativ. Warum stattdessen nicht Live-Tourneen an unterschiedlichsten und außergewöhnlichen Orten planen und diese dann dem Online-Publikum bezahlt zugänglich machen? Warum nicht die eigenen Songs in verschiedensten Settings in neuen Arrangements präsentieren und sowohl mit Klang als auch mit Lokalität experimentieren?
Es gilt jedenfalls einen Qualitätssprung vorzunehmen. Vor allem aber einen Innovationsschub. Es braucht neue Form-Ideen. Es reicht nicht nur, die Situation eine Situation zu begreifen, in der die alten Inhalte auf neuem Weg transportiert werden. Der Form-Weg erfordert neue künstlerische Formen.
Dann kommt Clemens Wengers neues Projekt „Physics of Beauty“ ja gerade recht. Kein Livestream, sondern eine neue Kunstform mit Animation und sogar ein bisschen Interaktion.
https://physicsofbeauty.art/