Die Mitgliederbefragung der SPÖ ist geschlagen und die Situation ist verfahren. Andreas Babler hat mit knapp 31,5 Prozent überrascht und stellt sich einer weiteren Konfrontation mit dem Doskozil-Lager, dem das gar nicht schmeckt. Dabei führen die Doskozil-Anhänger seltsame Argumente ins Treffen, die in erster Linie an ihrem demokratischen Grundverständnis zweifeln lassen. Noch vor wenigen Wochen haben viele von ihnen eine Stichwahl mittels weiterer Mitgliederbefragung gefordert, mit dem Hintergedanken, dass Pamela Rendi-Wagner sich im ersten Wahlgang knapp durchsetzen könnte. Davon wollen viele Doskozil-SPÖler jetzt nichts mehr wissen und berufen sich teilweise darauf, dass bei einer Nationalratswahl auch jene Partei gewinnt, die sich mit relativer Mehrheit durchsetzt. Ein hanebüchener Vergleich von Äpfeln und Birnen, den wir uns näher anschauen müssen.
Von relativen und absoluten Mehrheiten
Das einzige was an dieser Argumentation stimmt, ist, dass man als stimmenstärkste Partei die Wahl faktisch gewonnen hat. Davon kann sich eine Partei aber nur bedingt etwas kaufen, weil sie ohne eigene absolute Mehrheit Partner braucht. Das Argument, dass auch bei einer Nationalratswahl das Verhältniswahlrecht angewandt wird und für den Regierungsanspruch eine relative Mehrheit reicht, ist also grundlegend falsch. Für einen Regierungsanspruch reicht niemals eine relative Mehrheit. Wer den Anspruch stellt, regieren zu wollen, braucht selbstverständlich eine absolute Mehrheit und muss sich dazu einen Partner ins Boot holen. Erst wenn mehrere Parteien gemeinsam die absolute Mehrheit der Parlamentssitze hinter sich vereinen können, können sie unser Land auch regieren. Gleiches gilt übrigens für eine Minderheitsregierung. Auch hier braucht eine regierende Partei die absolute Mehrheit an Stimmen im Parlament, um Initiativen durchzubringen.
Das Problem der Politik in Rot
Egal mit welcher Farbe man die politische Debatte auch anfärbt, es bleibt ein wirklich abstoßender Tanz von Opportunisten und das macht die Menschen in Österreich zunehmend sauer. Zu Recht! Wäre Doskozil knapp Zweiter geworden, würde er jetzt eine Stichwahl fordern oder ebenfalls am Parteitag in den Ring steigen. Auf Platz eins liegend, dreht er die Sachlage so wie er sie braucht. Das ist durchschaubar, das ist peinlich und das ist ganz ganz schlechter Stil, der nur eins zur Folge hat: die Politikverdrossenheit der Menschen steigt weiter. So kann ein politischer Diskurs für die wirklichen Probleme in unserem Land nicht gelingen. Und man kann zur SPÖ stehen wie man will, aber Teuerung und ein sich rasant verändernder Arbeitsmarkt brauchen eine stabile sozialdemokratische Kraft und sei es nur als demokratisches Gegengewicht.
Die SPÖ steckt im Dilemma fest
Wie man es auch drehen und wenden mag, die SPÖ hat sich mit dieser Mitgliederbefragung in eine Sackgasse manövriert. Es stehen sich jeweils drei Drittel der Partei gegenüber, wenngleich die beiden Lager von Rendi-Wagner und Andreas Babler sich sicher näher stehen, als jene von Babler und Doskozil. Es gibt nur ein einziges Szenario, das Ruhe in die Sozialdemokratie bringen könnte und das wäre, wenn Doskozil in einer Abstimmung gegen Babler am Parteitag deutlich gewinnt. Sollte Doskozil die Kampfabstimmung knapp gewinnen oder gar gegen Babler verlieren, wird die Partei nicht so schnell zur Ruhe kommen. Sollte Doskozil als einziger Kandidat am Parteitag zugelassen werden und mit einer geringen Zustimmung ausgestattet werden, wird seine Kritik aus dem Jahr 2021 zum Bumerang. Rendi-Wagner war damals mit nur 75,3 Prozent zur Parteivorsitzenden der SPÖ wiedergewählt worden, was der wichtigste Landeshauptmann aus dem kleinsten Bundesland mit reichlich Häme kommentiert hatte. Alles keine guten Voraussetzungen für eine Nationalratswahl 2024.
Der Faktor Stimme
Auch wenn Hans Peter Doskozil es nicht gerne hört und sich ungerecht behandelt fühlt. Seine stimmlichen Probleme sind ein Faktor, der angesprochen werden muss und ins Gewicht fallen wird. Im ZIB 2 Interview mit Armin Wolf hat sich Doskozil empört gezeigt, überhaupt darauf angesprochen zu werden. Wer sich allerdings in die exponierte Position eines Politikers „wagt“, muss auch mit diesem Thema umgehen können und es ist keineswegs nur Privatsache, wenn die Stimme nicht das mitmacht, was dieser Job abverlangt. Ein Wahlkampf beinhaltet eben mehr als nur möglichst nett vom Wahlplakat zu lachen. Öffentliche Reden, Interviews mit Fernsehen, Radio und Printmedien, Pressekonferenzen, eigene Wahlkampfvideos für TV-Werbung, Social Media oder Kino, Telefonate nahezu den ganzen Tag. Bei all diesen Aktivitäten ist es unumgänglich, auch stimmlich abliefern zu können. Hinter den Kulissen wird daher schon gemunkelt, Doskozil könnte einen anderen Spitzenkandidaten vorschicken und selbst „nur“ Parteivorsitzender bleiben. Es wird jedenfalls spannend, wie sich die SPÖ bis zur kommenden Nationalratswahl als echte Alternative gegenüber den anderen Parteien positionieren will und wird.