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Abtreibung – Männlich

Ob befürwortet oder nicht, die Frau wird zum Objekt, über das bestimmt wird.
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Die Abtreibung, weiblich. Ein Eingriff in den weiblichen Körper – genauso wie die Schwangerschaft, die damit abgebrochen wird oder die lebenslangen Auswirkungen dessen, was damit verhindert wird.

Die Abtreibung, männlich. Männer – meist alt, meist weiß, immer in Machtpositionen – sind überzeugt, sie müssten die Entscheidung darüber treffen, ob Frauen, die sie genauso wenig kennen wie deren Schicksal, abtreiben dürfen und zu welchen Bedingungen.

Männer, die, wie kürzlich in den USA geschehen, Informationsseiten aus dem Netz nehmen und damit verzweifelte Frauen allein im Dunkeln stehen lassen, mit einem stetig wachsenden Problem.

Diese Männer entscheiden, ob eine Abtreibung mit sterilen Instrumenten, dafür zugelassenen Medikamenten, unter medizinischer Überwachung durchgeführt wird oder mit der rostigen Nadel bzw. deren Pendant.

Sie entscheiden darüber, ob aus den Frauen kaltblütige Mörderinnen werden oder Frauen, die selbstbestimmt eine Entscheidung für ihr eigenes Leben getroffen haben. Diese Entscheidung fällt im Bewusstsein: Ja, sie könnten sie irgendwann bereuen (Studien zeigen, dass die meisten Frauen auch Jahre später ihre Entscheidung für eine Abtreibung unter den Umständen, die dazu geführt haben, für richtig erachten).

Aber in der Politik weiß man es ja besser: So ein Kind gehört ausgetragen, gemacht hat es die Frau ja auch (allein?), also soll sie sich gefälligst darum kümmern. Wäre es nicht zu billig, sie für den Spaß einfach so davon kommen zu lassen?

Aber: Kinderbetreuungsplätze? Finanzielle Sicherheit für Alleinerziehende oder Frauen, die ihre Männer um jeden Euro beknien müssen? Ach bitte – lasst uns lieber darüber streiten, ob Abtreibung legal sein sollte. Das Thema Abtreibung polarisiert, da muss mitgeredet werden. Denn: Wie kann ein alter weißer Mann, der keine Sekunde seines Lebens auch nur vor einer potenziellen Schwangerschaft Angst haben musste, zulassen, dass eine Frau selbst über ihren Körper, über ihre Zukunft entscheidet? Ohne dafür bestraft zu werden? Denn darum scheint es in erster Linie zu gehen: nicht um die Interessen des Kindes, sondern um die der Frau. Durch eine Illegalisierung werden diese Rechte, die als Menschenrechte verstanden werden dürfen, beschnitten. Ihr wird die Freiheit genommen, über ihren eigenen Körper zu verfüge, und das unter dem Deckmantel einer fragwürdigen Moral.

In Österreich traut man den Frauen eine Entscheidung zumindest zu. Selbst wenn Gesundheit und Leben von Kind und Mutter nicht bedroht sind, dürfen Frauen, nach einer entsprechenden Beratung und innerhalb einer Frist, abtreiben. Und weil Abtreibungsgegner*innen schon über Jahrhunderte so viel Energie investiert haben, leben diese Frauen mit der Stigmatisierung ihrer „Tat“. Besser Schweigen über das, was vorgefallen ist und was sie überhaupt erst in die Situation gebracht hat. (EU-weit gibt es übrigens unterschiedliche Regelungen: Es gibt immer noch Länder, die Abtreibung verbieten, sofern nicht Leib und Leben von Mutter und Kind bedroht sind. Besonders streng sind die Regelungen in Polen und Malta).

Überall, auch in Österreich, müssen Frauen befürchten, eines Tages mit weniger Rechten aufzuwachen. Abtreibung ist nur eines davon. Eben das, das am meisten polarisiert, aber auch so wunderschön zeigt, wie einfach aus Subjekten Objekte gemacht werden können. Denn egal, ob befürwortet oder nicht, die Frau wird zum Objekt, über das bestimmt wird: „Natürlich legalisieren wir für euch die Abtreibung. Wir entscheiden für euch, so wie wir es immer schon gemacht haben.“ Ein Satz, der sich im Kern nicht sonderlich von diesen unterscheidet: „Ihr seid nicht in der Lage, eine gute Entscheidung zu treffen, wir erledigen das für euch. Abtreibung bitte nur dann, wenn ihr auch wirklich nachweislich vergewaltigt worden seid – oder am besten auch dann nicht.“

Immer wieder treffe ich auf Frauen, die sich mit mir fragen: Was, liebe mächtige weiße Männer, veranlasst euch dazu, zu glauben, dass eure Einmischung gefragt ist? Wenn ihr euch schon für die Rechte von Babys und Kindern interessiert, wäre die Energie da nicht andernorts besser investiert? Wie wäre es beispielsweise mit finanzieller Unterstützung für die Mütter, die von der Teilzeitarbeit (weniger Pension) nach Hause kommen, um dort mit Vollzeit-Care-Arbeit (keine Pension, keine finanzielle Anerkennung) weiterzumachen?

Aber gut, ich gestehe, in Anbetracht der Tatsache, dass hier gerade die Steuerzahler von morgen mit viel weiblicher Energie herangezogen werden, ist vor allem Letzteres vielleicht doch etwas viel verlangt.

Geboren 1992 in Südtirol, Studium der Germanistik und Spanisch in Wien, lebt in Innsbruck. Jahrelange Tätigkeit als Texterin im Print- und Online-Marketing, schreibt Essays, Gedichte, Kurzgeschichten.

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