Da ist unser Tiroler Traditionsverein am Tivoli gerade noch einmal der absoluten Katastrophe entgangen. Ein „Durchmarsch“ von der Bundesliga, direkt in die Regionalliga West wäre nicht nur für den FC Wacker Innsbruck selbst der Todesstoss gewesen, sondern hätte im gesamten Tiroler Fußball einen nachhaltigen Schaden hinterlassen. Lange und auf vielen Ebenen hat man am eigenen Grab geschaufelt. Kurz vor der Beerdigung kehrte der Lebenswille doch noch einmal zurück. Nun lauten die entscheidenden Fragen: Haben die Vereinsverantwortlichen aus ihren Fehlern gelernt? Und wird es ihnen gelingen den Verein endlich zukunftsfähig zu machen? Hier – wie im letzten Text versprochen – meine Lösungsansätze.
1. Der Verein braucht endlich (Fußball-)Fachwissen auf höchster Ebene
Der katholischen Kirche steht ein Mann der Kirche vor. Der Universität steht ein Mann der Wissenschaft vor. Der Feuerwehr steht ein Mann der Feuerwehr vor. Wieso sollte einem Fußballverein kein Mann des Fußballs vorstehen? Natürlich muss ein Fußballpräsident kein ehemaliger Fußballer sein. Dennoch braucht ein funktionierender Verein Fußball-Fachwissen auf höchster Ebene – sprich im Vorstand. Im Vorstand werden Entscheidungen getroffen. Oftmals spontan, oftmals geplant, doch meist mit großer Tragweite. Gerade in Zeiten in denen der FC Wacker Innsbruck keinen Sportdirektor hatte und schwierige Entscheidungen, wie die Bestellung eines neuen Trainers, zu treffen waren, wird sich manch ein Fan gefragt haben – wer soll dies tun?
Der schwarz-grüne Traditionsverein ist ein Verein mit demokratischer Kultur. Nicht nur auf Ebene der Mitglieder, sondern auch in der Führungsetage. Auch wenn neben dem Präsidenten Josef Gunsch, zwei weitere Mitarbeiter seiner eigenen Firma dem Vorstand angehören, wird hier kaum etwas schnell entschieden, sondern genau geprüft, lange diskutiert, abgewogen und erst dann entschieden. Dies ist generell eine wünschenswerte und positive Sache. Doch, wie sollen Männer der Wirtschaft, ohne große Fußball-Fachkompetenz, darüber entscheiden, ob ein Trainer der Mannschaft noch gut tut, ob ein Wechsel nötig wäre, welcher Trainertyp gebraucht wird, oder welcher Sportdirektor die nötigen Qualifikationen mitbringt?
Auch wenn durch die Installierung der beiden Sport-Beiräte Nick Neururer und Roland Hattenberger hier entgegengewirkt wurde, so ist das noch lange keine genügende Lösung. Ein Spielerberater (Nick Neururer) kann persönlich und moralisch noch so integer sein, dennoch bleiben dessen Funktion und die damit einhergehenden Interessen als Spielerberater (egal wie aktiv) aufrecht. Eine Bestellung zum sportlichen Beirat wirkt deshalb etwas merkwürdig. Auch Roland Hattenberger ist mit Sicherheit ein absoluter Fußballfachmann mit einem gewissen Netzwerk. Dennoch muss auch hier angemerkt werden, dass ähnlich wie Nick Neururer, auch Roland Hattenberger bisher die großen Erfahrungen in einer leitenden Funktion, in einem Verein, fehlen.
Der FC Wacker Innsbruck braucht endlich auf höchster Ebene (im Vorstand) fußballerische Fachkompetenz. Der schwarz-grüne Präsident wäre gut beraten jemanden um sich zu haben, der ihn in brenzligen Situationen nicht nur berät, sondern auch vor der Kamera, in einer leitenden und vor allem offiziellen Funktion und mit dementsprechenden Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, vertritt. Namen wie Kurt Jara und Dietmar Constantini sind schon oft gefallen. Als Sportdirektoren die nahe an der Mannschaft sind, täglich am Platz stehen und pausenlos den Telefonhörer am Ohr haben, kann ich mir beide wahrlich nicht vorstellen. Doch in der ehrenamtlichen Funktion eines schwarz-grünen Vorstands – sehr wohl . Nur dann ist auf höchster Ebene endlich die nötige fachliche Kompetenz angesiedelt, die es ermöglicht auch in heiklen Situationen richtige Entscheidungen zu treffen. Wie sollten sonst Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und regulierende Maßnahmen gesetzt werden? Denn vielleicht kommt man ja einmal in die unangenehme Situation, dass man sich von Trainer UND Sportdirektor gleichzeitig trennen muss. Dann wäre es mehr als ratsam, nicht das komplette Fachwissen auf einmal zu verlieren. In diesem Falle sollte auch jemand die Konzepte und Ideen der möglichen Nachfolger bewerten. Mir wäre es lieber, wenn dies jemand tut, der sich zum Verein und zu einer schwarz-grünen Funktion bekannt hat und nicht irgendein Beirat, der eher lose mit dem Verein verbunden ist.
[nextpage title=“Der Verein braucht einen erfahrenen Sportdirektor und zwar …“]
2. Der Verein braucht einen erfahrenen Sportdirektor und der darf was kosten
Bleiben wir im sportlichen Bereich und hier auf der strategischen Ebene. Wie bereits im vorangegangen Text beschrieben, sind die Aufgaben eine Sportdirektors sehr umfangreich. Von der Profimannschaft, über die Amateure, bis hin zur Jugend und zum Damenfußball, sollte der Sportdirektor sämtliche Teile im Auge haben. Er plant strategisch, gibt die Ziele vor, bewertet aktuelle Entwicklungen und muss im Notfall rasch Entscheidungen treffen, beziehungsweise eine Handlungsempfehlung an den Vorstand weitergeben. Er ist der sportliche Manager, der Netzwerker. Er knüpft Kontakte zu anderen Vereinen, auch außerhalb der Landesgrenzen, nimmt an Sportmanagement-Kongressen Teil, tauscht sich aus, hört sich um, hat einen guten Draht zu Spielerberatern, kennt die Talente im eigenen Land und verfügt über ein Netzwerk an Talente-Spähern, Scouts und Tipp-Gebern. Soweit die Idealvorstellung.
Ein Mann der dieser Idealvorstellung entspricht ist teuer. Doch ich treffe die gewagte Aussage – das darf er auch sein. Nur ein Mann darf beim Tiroler Traditionsverein ein wirklich teurer sein und das ist nicht der Trainer (hier würde ich mir sogar einen jungen, unverbrauchten, motivierten Mann wünschen), nicht der Stürmer und nicht der Torhüter – sondern jener Mann, der dem Verein ein funktionierendes, sportliches Konzept vorlegt und dieses auch umsetzen kann. Der FC Wacker Innsbruck hat in den letzten Jahren einige strategische Fehler begangen, vor allem im sportlichen Bereich. Talente im eigenen Verein wurden übersehen und nicht genügend gefördert, eine enge Zusammenarbeit mit der Akademie konnte nie erreicht werden, die Kaderzusammenstellungen waren bis auf wenige Ausnahmen eher unglücklich und selten langfristig gedacht. Eine Zielausrichtung im sportlichen Bereich hat es selten wirklich gegeben. Kaum jemand weiß für was der FC Wacker Innsbruck steht. Für spektakulären Offensivfußball genau so wenig, wie für Ballbesitzfußball oder eine defensiv orientierte Spielweise. Sind wir nun ein Ausbildungsverein mit vielen jungen Spielern, dem man es einmal verzeiht, wenn er nicht vorne mitspielt, wenn dafür ordentliche Transfererlöse generiert werden? Oder sind wir dafür bekannt fertige, teure Spieler zu holen, die sofortigen Erfolg versprechen? Der FC Wacker Innsbruck steht für Nichts. Und das gehört geändert.
Um den Verein sportlich weiterzuentwickeln und endlich zukunftsfähig zu machen, braucht es einen erfahrenen Mann, der bewiesen hat, dass er dieser Aufgabe mächtig ist. Es ist kein Zufall, dass Vereine wie Rapid oder Salzburg auf international erfahrene Leute setzen oder gesetzt haben. So schnell werden in Innsbruck keine Kaliber wie Ralf Rangnick, Helmut Schulte oder Andreas Müller präsentiert werden. Doch es gibt mögliche Kandidaten. Der Name Ali Hörtnagl geistert seit Jahren rund ums Tivoli. Er hat bei Rapid und auch in Erfurt bewiesen, dass er ein Fachmann ist, der einem gesichtlosen Verein Profil geben und auch mit schwierigen Situationen umgehen kann. Viel mehr als an Ali Hörtnagl denke ich jedoch an den erst kürzlich in St. Gallen entlassenen Heinz Peischl. Unter ihm wurde der anfangs kriselnde und hinter den Erwartungen gebliebene FC St. Gallen, nicht nur wieder zu einem ernstzunehmenden Schweizer Erstligisten – in fast jedem Jahr stand am Ende ein sattes Plus in der Transferbilanz. (was beim klammen Innsbrucker Budget ja auch wünschenswert wäre) Er bewies in St. Gallen ein gutes Auge für junge Spieler und konnte einige Talente zum Verein holen, die später für teures Geld verkauft wurden. Dem FC Wacker Innsbruck würde zudem die Außensicht gut tun, die Heinz Peischl auf jeden Fall mitbringen würde. Auch der Zugang zu einem funktionierenden Netzwerk und zum Schweizer Markt, wäre durchaus kein Nachteil.
Auch wenn Präsident Josef Gunsch für seinen lobenswert vernünftigen Umgang mit Geld bekannt ist, so wäre es durchaus ratsam genau hier zu investieren. In der Funktion des sportlichen Leiters liegt der Schlüssel zu einer nachhaltigen, positiven Entwicklung. Spieler kommen und gehen und werden im Idealfall für gutes Geld verkauft. (was in Innsbruck auch schon lange nicht mehr geglückt ist) – doch eine Spielidee, funktionierende Strukturen und Verantwortlichkeiten, sowie ein guter Ruf, der den Verein für Spieler interessant macht, bleiben. Bevor wieder in teure Torhüter oder mehrere Trainer investiert wird – sollte dies hier, auf der Position des Sportdirektors geschehen. Auch so mancher Sponsor oder politischer Verantwortlicher, dem wirklich etwas am Erfolg des Tiroler Traditionsvereins liegt, wäre gut beraten, sich bei diesem Argument überzeugen lassen.
Noch ein Wort zum derzeitigen Sportdirektor MMag. Florian Klausner. Ich habe Florian Klausner als äußerst umgänglichen und kommunikativen Arbeitskollegen kennengelernt. Sein Ehrgeiz, seine Lernbereitschaft und sein Wille sind unumstritten – aus diesem Grund hätte ich es mir gewünscht, dass ihm der Erfolg vergönnt sei. Doch sein Scheitern zeigt in meinen Augen nun einmal mehr, wie viel Verantwortung in der Position eines Sportdirektors liegt und wie komplex und schwierig deren Umsetzung, gerade in Innsbruck, ist. Aus diesem Grund wird es zukünftig einen erfahrenen Mann brauchen, der auf ein bereits bestehendes Netzwerk zurückgreifen und über die Landesgrenzen hinausschauen kann und sich dies nicht erst erarbeiten muss. (dafür ist in Innsbruck die Zeit einfach zu knapp) An dessen Seite wäre ein Mann, der diese Funktion, den Verein und die sportpolitischen Tücken in Tirol bereits kennt, übrigens durchaus intelligent installiert.
[nextpage title=“Der Verein braucht endlich die richtige und vor allem realistische Zielsetzung“]
3. Der Verein braucht endlich die richtige und vor allem realistische Zielsetzung
Zu Beginn der Saison sprach man noch von einem möglichen Wiederaufstieg. Trotz großen Kaderinvestitionen und Verpflichtungen von vermeintlichen Führungsspielern, wie Andreas Hölzl und Pascal Grünwald, musste diese Zielvorgabe schnell korrigiert werden. Bis zum letzten Spieltag ging es nicht um den Wiederaufstieg, sondern gegen den Abstieg. Wer aufmerksam Zeitung liest, der hat bereits vor Saisonende mitbekommen, dass auch in der kommenden Saison mit keinem Geldsegen, sondern mit weiteren Kürzungen im Sport-Budget, zu rechnen ist. Eine Fülle an Neuzugängen, die einen sofortigen Erfolg versprechen, wird es demnach wohl kaum geben. Der Verein steht vor der schwierigen Aufgabe eine passende Zielsetzung vorzugeben. Diese sollte sowohl realistisch, als auch attraktiv sein. Eine schier unmögliche Kombination.
Wenn wir über die Landesgrenzen hinausschauen, so gibt es mehrere Beispiele für misslungene, aber vor allem auch für gelungene Zielvorgaben. Meiner Meinung nach liegt gerade hier ein entscheidender Faktor, ob man es schafft die Menschen ins Stadion zu bringen oder nicht. Gelingt es die Menschen zu emotionalisieren, sie zu berühren, so dass sie sich mit dem Verein, seinen Möglichkeiten und Zielen identifizieren, so wird das Tivoli auch in Liga zwei (oder wie man in Österreich sagt – Erste Liga) nicht leer bleiben. Es gibt Beispiele an denen man sich orientieren – beziehungsweise von denen man etwas lernen kann.
Der FC St. Pauli redet seit Jahren nicht vom sportlichen Erfolg, sondern vom Erlebnis FC St. Pauli. Hier geht man ins Stadion, weil man das liga- und erfolgsunabhängige Wir-Gefühl spüren will. Die sportlichen Verantwortlichen und auch die Mannschaft stehen zwar auch hier immer mal wieder in der Kritik – doch die Fans wissen letztlich was sie bekommen – ehrliche Leistung, ehrlichen Fußball vom Kiez. Wer in den letzten Monaten am Tivoli war, der weiß, dass auch hier ein harter Kern zu finden ist und man durchaus vom Erlebnis FC Wacker Innsbruck erzählen kann. Borussia Mönchengladbach ist seit Lucien Favre zwar sehr erfolgreich, doch vor wenigen Jahren pendelte der Verein noch zwischen erster und zweiter Bundesliga. Die Vereinsverantwortlichen berichteten auch dort lange und in jedem Interview von den vergangenen Erfolgen und dass man daran wieder anknüpfen möchte. Dadurch entstand eine Erwartungshaltung an der die Mannschaft regelmäßig zerbrach. Erst unter Lucien Favre und Max Eberl kehrte jene Bescheidenheit ein, mit der die Mannschaft heute ganz Deutschland verzaubert. Man bekannte sich zur klammen Kasse, erzählte nicht mehr von den großen Erfolgen der Vergangenheit, sondern von den kleinen Erfolgen der Gegenwart. Junge Spieler, viele aus der Region und aus der eigenen Jugend, standen im Fokus, redeten vor der Kamera, äußerten sich auf Facebook und waren plötzlich das Gesicht des Vereins. Die Konsequenz. Die Fans und die Region entwickelten Sympathien und konnten sich plötzlich wieder mit der Mannschaft identifizieren. Schlechtere Leistungen und kurzfristige Misserfolge wurden verziehen. Der Stolz auf die Entwicklung der jungen Spieler überwiegte. Die Lücke zwischen den Erwartungen der Zuschauer und den Leistungen der Mannschaft war geschlossen. Wer nach Bochum, Bielefeld, Kaiserslautern oder Augsburg schaut, wird ähnliche Strategien entdecken.
Auch beim FC Wacker Innsbruck versuchte man in diesem Jahr von der eigenen Jugend zu sprechen und sich so Zeit zu „kaufen“. Am Platz zeigte sich ein anderes Bild. Außer Alexander Gründler war kein wirklich junger Spieler auf dem grünen Rasen zu entdecken. Die Öffentlichkeit diskutierte über die mäßig erfolgreichen Abstöße eines Pascal Grünwald, über die fehlende Form eines Andreas Hölzl, über die Verletzungsanfälligkeit eines Jürgen Säumel. Verständlicherweise vielen die Verantwortlichkeiten in ein typisches Muster. Als die Erfolge ausblieben und der Wiederaufstieg in weite Ferne rückte, blieb die Erwartungshaltung bestehen und es musste gehandelt werden. Gestandene, routinierte Spieler wurden verpflichtet. Der Nicht-Abstieg wurde erreicht. Trotz Freudentaumel über diesen Teilerfolg bleibt ein fahler Beigeschmack. Die Euphorie wird von kurzer Dauer sein und die Fans werden schon in wenigen Wochen nach den ersten Anzeichen lechzen, wohin im nächsten Jahr die Reise hingehen wird. Die Zielvorgabe wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. Welche Geschichten werden im kommenden Jahr erzählt? Jene von weiteren Sparmaßnahmen? Jene von weiteren „Alt-Stars“ die es am Tivoli noch einmal probieren dürfen? Jene vom sofortigen Wiederaufstieg, auf die Gefahr hin, dass es nicht gelingt? Oder vielleicht doch jene von den eigenen jungen Spielern, denen man eine Chance geben will, auch wenn man nicht gleich vorne mitspielt? Bei der letzen Variante würde wohl so mancher Ausrutscher am ehesten verziehen werden. Von den Medien. Von den Fans. Von der Öffentlichkeit. Die richtige Zielsetzung zu finden und diese auch konsequent zu kommunizieren, wird jedenfalls ein wichtiger Baustein für die Performance der kommenden Saison sein. Und darüber sollte man sich lieber schon frühzeitig Gedanken machen – zu viel hängt daran.
Sämtliche Lösungsansätze stellen Denkanstösse dar und haben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Als ehemaliger Pressesprecher und durch und durch Schwarz-Grüner - mache ich mir viele Gedanken und möchte in meiner Funktion als freier Journalist etwas Konstruktives und Konkretes zum Wohle "unseres" Vereins beitragen. Die Punkte 4-9 erscheinen in den kommenden Wochen - vor Beginn der neuen Saison.