Eine kleine Liebeserklärung an den Fußball

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Heute startet die Fußball-Europameisterschaft 2016. Um 21 Uhr eröffnet Gastgeber Frankreich mit dem Spiel gegen Rumänien das Turnier. In diesem Augenblick spaltet sich ein ganzer Kontinent in zwei Lager. („Nicht schon wieder“, denken jetzt die Österreicher) Auf der einen Seite die Abteilung „Endlich ist es so weit“, bestehend aus Fußball-Nerds, Narren, Sympathisanten, Beobachtern, Zaungästen, Experten und Besserwissern. Auf der anderen Seite die Abteilung „Wann ist dieser Wahnsinn endlich vorbei?“, bestehend aus Ehefrauen, Ehemännern, Freundinnen, Freunden, Sporthassern, Grantlern und allerhand anderen Verweigerern. Doch was macht die Faszination Fußball aus? Wieso wurde aus genau diesem Sport DER Weltsport schlechthin? Zeit, um dem endlich einmal auf den Grund zu gehen. Für Fans und Verweigerer gleichermaßen. Nur richtig überzeugte Fußballhasser dürfen jetzt aussteigen. Aber auch euch ist geholfen, denn für euch hat eine deutsche Zeitschrift genau das richtige Angebot parat.
Fußball. Das ist, wenn 22 Männer einem Ball hinterherjagen. Naja, nicht ganz. Zwei davon stehen im Tor und bewegen sich nur im äußersten Notfall. Doch Fußball ist weit mehr als 22 verschwitzte Männer in kurzen Hosen, weit mehr als 90+ Minuten Gewusel am grünen Rasen, weit mehr als testosterongeschwängerte Luft im Wohnzimmer oder Stadion. Fußball ist vor allem eines, Fußball ist Leidenschaft pur. Das ist per se weder eine neue Erkenntnis, noch ein etwas ganz Besonderes. Immerhin bedeutet Leidenschaft nichts anderes, als dass sich jemand in einem Zustand befindet, in dem er starke Gefühle empfindet. Das tun manche auch, wenn sie vor einer roten Ampel halten oder im Fast-Food-Restaurant länger warten müssen. Leidenschaft bietet eben die volle Bandbreite. Von überschwänglicher Liebe bis hin zu hartnäckigem Hass. Doch das sind meist nur punktuelle, spontane Erlebnisse, in denen es einen plötzlich überkommt und alles gleichermaßen schnell wieder vergeht. Beim Fußball ist das anders. Dort gibt es die volle Dröhnung. Vor, während und nach dem Spiel. Ein Gefühlschaos, eine Orgie der Emotionen, in der sich unbändige Wut, kindliches Träumen, allumfassende Liebe und gebündelter Hass gemeinsam ins Bett legen und dich abwechselnd reiten.
Seziert man Leidenschaft nicht klassisch und reduziert den Begriff nicht auf seinen Wortstamm, so offenbart sich ein weiteres Geheimnis in Sachen Fußball. Leiden. Fußball ist Leiden. Wer sich einen richtigen Fan mal aus nächster Nähe ansieht und ihm geradewegs ins Gesicht starrt, der wird unweigerlich mitgerissen. Große, starke Männer verziehen plötzlich ihre Mundwinkel, verengen die Augen weinerlich, rümpfen die Nasen, ganz wie kleine Kinder, wenn die Eltern das gewünschte Eis verweigern. Wenn der Stürmer der eigenen Mannschaft alleine auf das gegnerische Tor rennt, weiten sich Nasenflügel, strecken sich Hälse, öffnen sich Münder, blitzen Augen voller Hoffnung. Spannung, die kaum ertragbar ist. Nur, damit Sekunden später kollektiv Haare gerauft und geflucht wird. Immer wieder hört man, dass Menschen aufgrund eines gebrochenen Herzens sterben. Wenn das stimmt, ist der Fußball ein eiskalter Killer. Er spielt mit den Menschen, verführt sie, verführt sie in kollektiven Freudentaumel, in kollektive Ekstase, nur um sie dann in kollektives Trauern versinken zu lassen. Spannung und Entspannung. Er lässt sie leiden, bis zum Abpfiff. In der Zwischenzeit hat er Gräben zugeschüttet, Brücken gebaut und Menschen vereint. Soziale Schichten verschmelzen zu einer homogenen Masse, gekleidet in den selben Farben.
Das schafft nur der Fußball und zwar nur der Fußball. Er lässt die Menschen, die ansonsten so sehr darauf erpicht sind ihre Unterschiedlichkeiten hervorzuheben, für wenige Stunden, Tage, Wochen zu einem großen Ganzen werden. Zu einem Klumpen der Euphorie. Zu einer Masse, in der es nicht um Unterschiede, sondern um die gemeinsame Emotion geht. Zu einer Gemeinschaft jenseits jeglicher Differenzen. Wenn selbst Mütter, Väter, Großeltern, die sich sonst nur für Sport interessieren, wenn das eigene Kind oder die eigenen Enkel auf dem Platz stehen, die Zeitung aufschlagen, Spielernamen kennen, Gegneranalysen lesen, mitfiebern und Daumendrücken, dann ist Fußballzeit. Dann gibt es Tischgespräche, die Generationen überbrücken, Büro-Außenseiter, die Tippspiele gewinnen und Menschen, die sich in den Armen liegen. Fußball mag Leiden schaffen. Doch im Leid finden Menschen entweder zu Gott oder zueinander. Manchmal auch beides. Und beides spendet letztlich Trost. Der Fußball ist kein Wunderding. Doch er gleicht einer einfachen Sprache, die ein jeder schnell erlernen kann. Egal ob groß, ob klein, ob alt, ob jung, ob reich, ob arm. Im Fußball muss das Runde einfach nur ins Eckige. Alles andere. Ist primär.
P.S: Falls jemand wissen möchte, wer Europameister wird. Hier das Ergebnis.


 Foto (c) Martin Abegglen, st. pauli, flickr.com

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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