Innsbruck. Wir schreiben das Jahr 2035. Die stetig steigenden Wohnungspreise haben die jungen Menschen vertrieben. Die letzten Verbliebenen wohnen in 8er-WGs in Garconnieres. Ehemalige Einzelzimmer in Studentenwohnheimen sind mittlerweile zu Schlafsälen umfunktioniert. Die Universitäten leiden. Immerhin zahlen die privaten Gönner, die vor 20 Jahren die staatliche Finanzierung der tertiären Bildungseinrichtungen übernommen haben, nach Studierendenzahlen und diese schauen traurig aus.
Die letzten 70 BWLer sitzen in den überdimensionalen, kalten Prüfungshallen, die auf Grund des akuten Platzmangels zur Hochblüte der alpenländischen Universität erbaut wurden. Nur noch die 52 Kaffeeautomaten in der Eingangshalle erinnern an den einstigen Großbetrieb. Mittlerweile hängen in der einzig noch genutzten Halle G7 – die meisten der 322 Neonröhren kaputt von der Decke. Die EU-weiten Zentralklausuren finden unter tristen Bedingungen statt.
Drei Juristen irren durch die Gänge der altehrwürdigen Hauptuni. Den letzten lehrenden Professor für Arbeits-, Sozial-, Straf-, Steuer-, Verwaltung-, Handels-, Finanz-, Europa-, Völker- und bürgerliches Recht treffen sie nur selten und höchstens in der semesterweise stattfindenden Sprechstunde. Die technischen Fakultäten wurden bereits im Jahr 2019 geschlossen und an die ETH Zürich verlegt. Drei Innsbrucker Studierende durften gemeinsam mit ihrem Labor nach Zürich übersiedeln. Alle drei Plätze gingen an Frauen. Das Rektorat erhielt dafür Förderungen in Höhe von 300 Euro seitens der Initiative „Frauen in der Technik.“ Die Förderung wurde in die Forschung gesteckt.
Die letzen beiden Studenten an der „Fakultät für Politikwissenschaften und Soziologie powered by Kronen Zeitung“, bekamen bereits letztes Jahr, nach nur 14 Semestern Studienzeit und ohne Abschlussprüfung, ihren Bachelor – sowie Praktikumsplätze im Wienbüro der steirischen Krone verliehen. Am Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik studiert nur noch Privatier DDDDDDDr. MMMMMMag. Dietrich von Bergblick. Die letzten Architekturstudenten sind gemeinsam mit ihrem Professor nach Katar übersiedelt, wo sie die weltgrößte Skihalle für alpine Ski-WM 2037 planen und bauen. Selbst die extra von allen Innsbrucker Hochschulen gemeinsam entwickelte Kampagne „Long-life-learning NOW“, die extra auf die neue Zielgruppe angepasst wurde, änderte nichts an den sinkenden Studierendenzahlen.
Doch auch in anderen Bereichen machte sich die Abwanderung der Studenten bemerkbar. Nachdem über 90% der Innsbrucker Studierenden die Alpenhauptstadt fluchtartig verlassen haben, ging das große Gastro-Sterben los. Nach dem Ludwig, schlossen auch das Fritz, das Franz, das Peter, das Marlene, das Mike, das Leopold und das Tribaun. Am längsten wehrte sich der Besitzer des ehemaligen Sixty-Twenty am Sowi-Campus gegen die Tristesse und den nahenden Untergang. Selbst die unzähligen Pleiten konnten ihn nicht entmutigen. Mittlerweile betreibt er das Sixty-Sixty-Nine. Die großen Investitionen in teure Bierwärmer, Häckeldeckchen und Konditoreiware bringen ihn jedoch schon wieder an den Rand des Abgrunds. Erst letztens erlosch das letzte sichtbare Symbol der goldenen 10er Jahre. Der Hipsterlymp wurde nach 19 Jahren geschlossen. Mittlerweile hängt in den Räumlichkeiten des ehemaligen Hipsterlymps (Ex-Riesenrundgemälde) eine 360-Grad Leinwand, die Innsbruck zu seiner Hochblüte zeigt. Volle Beisln, volle Hörsäle, volle Straßen, volle Skipisten, junge Menschen, Fröhlichkeit, Heiterkeit und schallendes Gelächter.
Nachdem das Skigebiet am Patscherkofel bereits im Jahr 2016 von der Stadtregierung aufgelassen und zum Zirben-Naherholungsgebiet erklärt wurde, stellten auch die anderen Skigebiete rund um Innsbruck bald ihren Betrieb ein. Da ihnen mit den Studierenden ihre wichtigste und treueste Kundschaft ausfiel, änderten selbst teure Investitionen nichts an der deprimierenden Situation. An einen Wettbewerb mit Skidestinationen wie St. Anton, Ischgl oder Kitzbühel war einfach nicht zu denken. Bis auf Vladimir Putin, der 2015 in sein Tiroler Exil (Lans) flüchtete, blieb der erhoffte Zustrom, an zahlungskräftigen Gästen aus Osteuropa komplett aus.
Auch die Innsbrucker Kultur wurde von der Abwanderung der Studierenden stark getroffen. Die ehemalige Hochburg für Musik, Theater und Kabarett, das Treibhaus Innsbruck, ist mittlerweile im Besitz der Stadt Innsbruck. Aktuell diskutiert der Gemeinderat ob daraus in Alters- und Pflegeheim für ältere Menschen mit urbanen Bedürfnissen gebaut, oder die Immobilie an eine Münchner Investoren Gruppe verkauft werden soll. Die einzigen die sich über die Studentenflucht wirklich freuen sind die Bundesgärten. Nachdem das Betreten der Grünflächen im Hofgarten Anfang des Jahrhunderts für kurze Zeit erlaubt wurde, ist dies mittlerweile wieder verboten. Doch die Bewachungs- und Beschilderungskosten stiegen über die Jahre ins Unermessliche und trieben die Bundesbehörde an den Rand des Ruins. Nun sind die Rasenflächen wieder frei, grün und Strahlen im Schein der Frühlingssonne. Und niemanden interessierts!
Dieser Text wurde in der aktuellen Ausgabe der UNIpress veröffentlicht. Titelthema der April-Ausgabe: Studierendenstadt Innsbruck? Ohne uns wärst du nichts! Hier zum Nachlesen.