Flower-Power am Sonnendeck
Die Uni liegt nahe und ist doch sehr fern. Kaum jemand scheint über die letzte Vorlesung, über die anstehenden Prüfungen, über Manuskripte, Seminararbeiten oder Abgabetermine zu sprechen. Die Stimmung ist angenehm entspannt. Die Menschen lachen, scherzen, trinken Bier. Keine Sorgen. Keine Ängste. Einfach die Zeit genießen. Leute kennenlernen und miteinander abhängen. Farbenprächtige Blumenleggins, Gänseblümchen im Haar, ärmellose Leibchen – so weit das Auge reicht. Ein Duft von Flower-Power hängt in der Luft. So in etwa habe ich mir immer die 60er und 70er vorgestellt.
Nur die Botschaften auf den T-Shirts, den Taschen und Caps sind nicht ganz Woodstock. „Jung, schön und erfolglos“, „Ich habe die Band zuerst gekannt“ und „my mum says i am pretty, so fuck you“, anstatt „give peace a chance“, „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ und „make love, not war“. Dennoch sind Gemeinsamkeiten zu erkennen. „Today is the first day of the rest of your life“ ist auch einfach nur “yolo” und “freie Liebe” die mutige Version von “es keat oanfach viel mehr gschmust”. Beide Zeiten sind hip. Beide bunt. Beide voller Sehnsucht nach Entschleunigung und einem ausgeprägtem Hang zur „Lebe-den-Moment“-Sucht.
Kein Interesse für etwas einzustehen
Ich spreche mit einem jungen Mann. Er erzählt mir, wie glücklich er darüber sei, dass es in Innsbruck endlich eine solche Veranstaltung gibt. In Berlin, Hamburg und München sei das völlig normal. Im Internet rufen (meist) junge Menschen zum gemeinsamen Abhängen auf. Zeit, Ort werden bekannt gegeben – und Tausende erscheinen. Auch in der Alpenhauptstadt funktioniert dieses Prinzip ganz wunderbar. Erst wenige Stunden zuvor erfolgte der Ruf via Facebook. Die Massen sind ihm gefolgt. Ich stimme dem jungen Mann zu.
Wir unterhalten uns weiter. Als eine Laufgruppe vorbeirennt, werden wir beide unterbrochen. Er schaut den circa 20 Laufbegeisterten hinterher und meint schmunzelnd: „Das sind doch die von der ÖH? Die Laufrunde? Lächerlich.“ Ich bin etwas irritiert, immerhin glaube ich zu wissen, dass dieser Lauftreff tatsächlich von der ÖH organisiert wurde und für günstigere Studi-Öffi-Tickets Kilometer abstrampelt. Ungläubig frage ich ihn, ob er das denn nicht für eine gute Sache halte? Er meint, dass die von der ÖH ja sowieso nichts bewirken. Dass das alles nur Kindergarten sei, wo sich irgendwelche Selbstdarsteller gegenseitig runtermachen und versuchen sich zu profilieren. Als ich ihn frage, ob er zu den ÖH-Wahlen gehen wird, schüttelt er unter lautem Lachen den Kopf.
Ich hoffe, dass ich mich irre
Als ich mich wieder ins Gras setze und die letzten Sonnenstrahlen auf den Inn fallen sehe, bin ich etwas niedergeschlagen. Ich schaue mich um. Meine Stimmung hat sich geändert. Der Geruch von Flower-Power ist verflogen. All das Bunte kommt mir nicht mehr vor, wie der Ausdruck von Individualität. Inhaltslos. Trostlos. Oberflächlich erscheint es mir. Die Sprüche verlieren an Kraft. „Es keat oanfach viel mehr gschmust“ hat nichts mehr mit „freier Liebe“ zu tun, sondern klingt eher nach dem verzweifelten Aufschrei einer ganzen Generation die es verlernt hat einander nahe zu sein. Das Sonnendeck ist wieder einfach nur die Innpromenade hinter der Hauptuni.
Ich stehe auf, verabschiede mich von meinen Leuten und gehe nach Hause. Murmelnd laufe ich durch die Masse und wünsche mir still und leise, dass ich mich irre. Dass die hippen Menschen aus den 60ern und 70ern eben doch mehr mit jenen von heute zu tun haben. Dass die Aufschriften auf den bunten Shirts keine leeren Versprechen und hohlen Phrasen sind. Dass nicht nur der Aufruf zum Party machen die Leute erreicht, sondern auch jener zum Mitgestalten. Dass die Massen ihm folgen, sich informieren, sich einbringen und wählen gehen. „Lebe den Moment“, heißt nämlich auch, im richtigen Moment das richtige zu tun und einmal an morgen zu denken. Nur kurz in die Wahlkabine – ein Kreuzchen setzen – mitentscheiden. Yoso. You only study once.
Dieser Text wurde in der Mai-Ausgabe der UNIpress veröffentlicht. Hier zum Nachlesen.
Vom 19. - 21. Mai finden die ÖH-Wahlen statt. Yoso!
Ja eh, das sagen wir dauernd. Und deshalb richtet sich unser Angebot ganz beonders an die gröste Gruppe der Wahlberechtigten – nämlich an die NICHTWÄHLERINNEN & NICHTWÄHLER! KOMP liebt euch – liebt auch ihr KOMP.