Über das Leid der Studienwahl

17. Jänner 2017
2 mins read

und ein guter Neujahresvorsatz


Dieser Text wurde zuerst in der UNIpress veröffentlicht. Foto (c) Universität Innsbruck


Wer sich bei der Studienwahl vertut, der hat sein Leben versaut. Zumindest den Großteil davon. Es ist also Vorsicht geboten, wenn man sich für ein Studium entscheidet. Dabei ist das alles andere als einfach. Wenn ich mich richtig zurückerinnere, gab es bei mir damals zwei Fraktionen. Die eine Seite, bestehend aus meinen Eltern und anderen nahen Verwandten, die sich um meine Sicherheit sorgten und die andere Seite, meine Freunde, die neben der Matura, vor allem mit dem Welterkunden und Weltretten beschäftigt waren. Bei ihnen ging es weniger um Sicherheit, mehr um Selbstverwirklichung.
Als junger Mann oder junge Frau steht man dann zwischen diesen beiden Stühlen und weiß nicht so recht, wo man sich hinsetzen soll. Die Abteilung Sicherheit rät einem nachdrücklich, sich für ein Studium mit Zukunft, sprich mit guten Zukunftsaussichten, ergo mit der anschließenden Möglichkeit Arbeit zu finden, zu entscheiden. Das ist gar nicht so leicht. Flexibilität und Fingerspitzengefühl sind gefragt. Denn diese Studien unterliegen dem Zeitgeist. Nicht immer werden so viele Mechatroniker gesucht, wie heute. Einzig das Jura-Studium hat sämtliche Trends überdauert. Wer auf den Klassiker setzt, ist zu jeder Zeit gut beraten. Mehr Sicherheit geht nicht und wenn mal was schiefgeht, kann man sich vor Gericht einfach selbst wieder rausboxen. Als ähnlicher Klassiker gilt die BWL. Warum auch immer. Wahrscheinlich funktioniert die Generation Praktikum nur, wenn 25 Prozent aller Absolventen Wirtschafter sind und alle um den „perfekten“ Lebenslauf rittern.
Die Fraktion der Selbstverwirklicher hingegen rümpft beim Wort BWL höchstens selbstgefällig die Nase. Was haben Budgetierung, Leadership und internes Rechnungswesen bloß mit Selbstverwirklichung zu tun? Auf den ersten Blick überhaupt nichts. Wenn es um Selbstverwirklichung geht, kommen ganz andere Studienrichtungen in Frage. Komparatistik zum Beispiel. Klingt doch auch super. „Oma, ich studiere jetzt Komparatistik.“ Das klingt wichtig, ist es aber nicht! Komparatistik ist nichts anderes, als ein institutionalisierter Bücherkreis. Man liest, setzt sich zusammen und erzählt sich, was man beim Lesen empfunden und entdeckt hat. Sofern Bücherzirkel nicht das nächste Social Web werden, hat man am freien Markt damit keine Chance. Oder? Gleich ergeht es allen anderen Selbstverwirklichern. Zumindest so lange, bis sie alle Prinzipien und Träume über Bord geworfen haben. Dann werden Soziologen zu Beamten, Politikwissenschaftler zu Journalisten und Germanisten zu deren Korrekturlesern.
Verdammt schwere Entscheidung also. Lieber ein Studium, das zumindest während seiner Laufzeit die Illusion aufrecht hält, seiner wahren Bestimmung zu folgen, nur damit man nach dem Abschluss bei einer zusammengeschrumpften Zeitung oder einem Verlag Korrekturleser werden kann? Oder doch lieber Leadership? Dann wird man wenigstens Head of Proofreading. Ich für meinen Teil bin jedenfalls heilfroh, dass ich mich nicht mehr entscheiden muss. Nach einem Monat „Bedenkzeit“ habe ich der hartnäckigeren Fraktion nachgegeben und mich für ein BWL-Studium entschieden. Schwerpunkte: strategisches Management und Controlling. Mittlerweile bin ich seit bald drei Jahren selbstständig, verdiene als freier Autor und Journalist meinen Lebensunterhalt und organisiere regelmäßig Lesezirkel. No risk, no fun und bloß nicht zweifeln Leute!

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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