oder „Von Katzenbabytretern und Despotenblattln“
Dieser Text wurde zuerst in der UNIpress veröffentlicht.
Keine Ahnung ob man das außerhalb der Kulturblase mitbekommen hat, aber in Österreich fand vor kurzem ein Kulturkampf statt. Und zwar kein metaphorischer auf irgendeiner Bühne, wo zwei Protagonisten zwei unterschiedliche Standpunkte verkörpern und sich ausdrucksstark, tänzerisch und argumentativ befetzen, sondern ein richtiger. Mit allem was dazu gehört. Österreich hat ein Schmierblatt mit kaiserlichem Namen. Immerhin nennt es sich, wie die Kopfbedeckung eines Monarchen. Ähnlich despotisch, wie der Name bereits vermuten lässt, verhält sich dieses Blatt auch. Vor dem Urteil diverser Schmierfinken in eben diesem Blatt ist jedenfalls niemand sicher. Kein Politiker, kein Unternehmer, kein IT-Girl und auch die Kultur nicht. Wie weit das Despoten-Blatt zuletzt gegangen ist, hat dennoch erstaunt und für einen ordentlichen Aufschrei im Social Web gesorgt.
Österreich hat nicht nur ein Schmierblatt aller erster Güte, sondern auch eine Lieblingsschreiberein. Gemeint ist Posting-Künstlerin Stefanie Sargnagel. Die stets rotbekappte Autorin hat sich einen Ruf als bissige, zynische Satirikerin der neuen Generation erarbeitet. Neue Generation deshalb, weil sie ihre bösen und oft verstörend klingenden Aussagen nicht von der Bühne plärrt oder in gedruckter Form publiziert, sondern im Minutentakt auf Facebook veröffentlicht. Zynische Satirikerin deshalb, weil auch vor ihr ist niemand sicher ist. Neben Burschenschaftern und anderen Nazis, macht sie vor allem Jagd auf Chauvinisten, Machos, Prolls und andere Vertreter der Fraktion „wir Männer sind das stärkere Geschlecht.“ Ihre zuweilen undiplomatische Art hat ihr nicht nur eine Heerschar an Jüngern und Applaudierern, sondern auch so manchen Disput eingebracht. Waren die meisten davon „eh noch recht unterhaltsam“ (die dicke Sargnagel gegen das Chauvinistenschwein alias Autor Thomas Glavinic), war der letzte nur schwer zu ertragen.
Die Geschichte ging in etwa so. Sargnagel fährt Anfang des Jahres gemeinsam mit anderen „Kreativen“ nach Marokko. Dort mieten sie ein Haus, um zu schreiben, Nachzudenken und künstlerisch zu arbeiten. Während ihrer Reise verfassen die Künstlerinnen täglich einen kurzen Reisebericht. Die Statements klingen typisch Sargnagel, „org, bes und recht stark nach Satire.“ Darunter sind so schöne Sätze wie „Die haselnussbraunen Augen des Taxifahrers erinnern mich an Haselnüsse.“ Soweit so gut. Die Kreativen kommen zurück nach Österreich, Sargnagel nimmt ihren Platz als Stadtschreiberin in Klagenfurt ein und die Welt dreht sich weiter.
Wochen nach dem Trip springt dann Österreichs Despotenblatt auf die Geschichte an und liefert „investigative“ Zeilen. „Für diesen schreiberischen Schrott (Anm. das Reisetagebuch) über den Sauf- und Kiffurlaub in Marokko gab es für Sargnagel und ihre Freundin Lydia Haider 1.500 Euro als Reisestipendium vom Ministerium für Kunst und Kultur.“ Im gleichen Text wird Sargnagel erst als Fäkal-Autorin bezeichnet und am Ende fast schon zur „Selbstjustiz“ freigegeben. Irgendwo in ihrem Reisetagebuch schrieb die Künstlerin mal etwas mit „willig“. Das veranlasste den Journalisten zu einer Formulierung, die an Widerlichkeit nicht zu überbieten ist: „Für ein halbes Jahr darf die Stadtschreiberin der Landeshauptstadt kostenlos das im städtischen Eigentum befindliche „Künstleratelier“ im „Künstlerhaus“ bewohnen. Was bei der kiffenden und willigen Sargnagel ein Widerspruch ist.“
Adresse bekanntgeben und die Künstlerin als „willig“ bezeichnen. Dass so etwas in einem „seriösen“ (haha) Medium passieren darf, ist genauso deppert, wie die „Je suis Sargnagel“ Bekundungen diverser Künstler und Politiker. „Je suis Sargnagel“ verharmlost nämlich so manche Schreckenstat der jüngeren Vergangenheit. „Je suis NIE WIEDER besagte Hetzzeitung“ wäre wohl die passendere Antwort. Für Leser, Politiker und Unternehmen gleichermaßen. Wer ein solches Schmierblatt nämlich mit Partei-, Abo- und Unternehmensgeldern finanziert, trägt Mitschuld daran, dass wir Österreicher einmal mehr europaweit als „Vollidioten“ dastehen. Der Kulturkampf endete nämlich nicht im provinziellen Klagenfurt, sondern wurde quer durch alle deutschsprachigen Gazetten ausgefochten. Peinlich. Denn hier wurde nicht nur eine „Kunstfigur“ mit einer realen Person verwechselt. hier wird einfach alles verwechselt. Eigener Geschmack mit künstlerischer Freiheit, Realität mit Satire und lautes Gebrüll mit Relevanz. Am Ende bleiben nur peinliches Berührtsein und ordentlich PR für das (bald?) erscheinende, vierte Buch der Stefanie Sargnagel.
Hätten wir uns alle nur mal nicht so wichtig genommen und weniger Krone gelesen!