Dieser Text wurde zuerst in der UNIpress veröffentlicht.
In Österreich findet man regelmäßig Anlässe, um sich herrlich aufzuregen. Österreichs tiefster Springer und Obermacho Baumgartner schreibt irgendeinen Semmel auf Facebook und keine zehn Minuten später berichtet die gesamte Medienlandschaft. Und zack – der Mann hat was er wollte, Aufmerksamkeit und eine Bühne für seine reaktionäre Weltsicht.
Dass die klassischen Printmedien einen langwierigen, schmerzvollen und kaum zu ertragenden Todeskampf austragen, ist längst keine These mehr. Dass nur wenige an wirklich zukunftsfähigen Modellen arbeiten, eine Tatsache. Österreich scheint einfach kein guter Nährboden für anspruchsvollen Journalismus zu sein – fragt nach beispielsweise bei den sieben arbeitslosen Ex-nzz.at-Mitarbeitern. Statt auf Qualität, neue Kanäle und neue Ideen zu setzen, brüllt ein Großteil der Medien einfach immer lauter. Doch das Brüllen klingt weder gefährlich, noch wissend, noch bedrohlich, sondern schlicht und einfach nach unerträglichen Todesqualen. Ein letztes Aufbäumen. Ein letzter Aufschrei, bevor sie für immer verstummen.
So ist es nur logisch, dass lautstark geführte Sinnlosdebatten, Pseudo-Geschichten mit einem miefigen Seitenblicke-Charme und übersexte, skandalöse Clickbait-Headalines die Bildschirme der Smartphones und Tablets verstopfen. Widerlich, widerwärtig, widersinnig – aber dem Zeitgeist entsprechend und ein Sinnbild für den Verfall von wirklichen Bekenntnissen, wirklichen Ideologien, wirklichen Überzeugungen. Die Medien – ein Spiegel unseres Lebensstils. Die Verpackungen werden immer bunter, immer gestylter, immer harmonischer. Die Klänge immer lauter, immer dumpfer, immer gleicher. Und der Inhalt verrottet, bis nur noch ein Staubkorn übrig ist.
Grausig, was meine Generation (und die davor; und die danach) hier fabriziert und dann auch noch stolz vor sich her trägt. Waren modische Abartigkeiten früher ein sichtbares Zeichen von Rebellion, sind sie heute Ausdruck persönlicher Eitelkeiten. War es früher wichtig sich für ein kollektives Ziel zu engagieren, steht heute das eigene Glück im Mittelpunkt. Für Überzeugungen einzutreten – und beispielsweise für die Gleichstellung von Mann und Frau zu kämpfen oder die armen Viecher vor dem Schlachter zu retten – hat für einen Großteil längst keinen (gesellschafts)politischen Wert mehr, sondern gehört zum Outfit of the Day, wie der Jutesack auf dem die hohle Tierretter-Phrase stolz präsentiert wird.
Anstatt miteinander zu reden, nach drei Bier im Stammlokal engagiert zu debattieren, posten wir Weisheiten-Memes auf Instagram und Facebook. Lebe den Tag. Lebe dein Leben. Nur du kannst dafür sorgen, dass du glücklich bist. Durch die Welt rennen wir mit gesenktem Blick. Virtual Reality ist längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern der Marsch der täglich geblasen wird. Kaum jemand sieht die Welt durch seine eigenen Augen. Wenn es regnet verrät uns das die Wetter-App am Smartphone – welches Restaurant gut ist, die Bewertungsplattform. Real-Life gibt es nur dann, wenn der Straßenlaternenmasten den Blick auf den Handybildschirm kurz unterbricht.
Die Folgen, die dieser Lebensstil mit sich führt, sind weitreichende. Wer auf das echte Leben verzichtet und lieber auf hohle, digitale Hüllen steht, der wird eines Tages vom Smartphone nach oben blicken und mutterseelenallein dastehen. Weil die ganzen inszenierten, aufgeblasenen Geschichten in Wirklichkeit ganz weit weg und verdammt unbedeutend sind. Wer wissen will, wie es seinem Lieblingsfußballverein geht, der soll gefälligst ins Stadion gehen und nicht auf irgendwelchen Facebook-Seiten darüber streiten. Wer die Gleichberechtigung von Mann und Frau wünscht, der soll beim nächsten Mitarbeitermeeting seinen Mund aufmachen, anstatt im Internet Stellung zu beziehen. Wer Werbesujets mit Osterhöschen unangebracht findet, soll die Marke mit Missachtung strafen, anstatt die Werbung im Netz – anprangernd – zu teilen.
Aufstehen und was tun. Inhalt vor Form. Gemeinsam statt einsam. Ansonsten geht es unserer Gemeinschaft bald wie den Medien, die über uns berichten. Wir siechen dahin und leiden einsam. Nur ohne lautem Brüllen – dafür aber perfekt inszeniert. YOLO Bitches.
Dieser Text wurde zu 60 Prozent am Smartphone geschrieben.
Titelbild: (c) Alex C, flickr.com