Generation Kinder Schokolade an der Macht

14. Juni 2017
3 mins read

Dieser Text wurde bereits im Mai zuerst in der UNIpress veröffentlicht


Was macht das Kind auf der Kinder Schokolade? Richtig! Gut aussehen, freundlich dreinschauen und höflich grinsen. Die Verpackung soll junge Menschen ansprechen, ihnen Lust machen. Lust machen, auf die süße Versuchung, auf die kleinen Schokoriegel. Kinder Schokolade gehört übrigens zur italienischen Süßigkeiten-Firma Ferrero. Diese Firma produziert nicht nur die Kinder Riegel mit dem hübschen Jungen auf der Verpackung, sondern unter anderem auch Kinder Bueno, Kinder Pinguin, Kinder Milchschnitte uuuuuuuund das Kinder Überraschungsei. Ein solches Überraschungsei serviert uns derzeit nicht nur Ferrero, sondern ein anderer Traditionsbetrieb, die Österreichische Volkspartei, kurz ÖVP. Dort hat unlängst nämlich die Generation Kinder Schokolade übernommen. Kinder Schokolade gab es zwar schon 1967. So richtig geboomt hat sie allerdings erst, als die Produktpalette erweitert wurde – das war im Jahr 1981. Zu diesem Zeitpunkt war der Neo-Chef der Traditionspartei ÖVP noch nicht einmal geboren. Sebastian Kurz erblickte im August 1986 in Wien das Licht der Welt. Es muss ein heißer Tag gewesen sein, denn mit heißen Tagen scheint sich der rot-weiß-rote Außenminister und ÖVP-Chef gut auszukennen. Einen solchen bescherte er seiner Partei nämlich im Mai dieses Jahres, als der schwarze Kronprinz verkündete den Thron zwar besteigen zu wollen, aber nur zu seinen Konditionen. Und diese Konditionen hatten es in sich.
Die ÖVP gibt es seit 1945. Unter dem Namen Österreichische Volkspartei sollte ein möglichst breites Spektrum an Positionen Platz finden. Die ÖVP, keine klassische Partei, sondern eine Sammelbewegung für möglichst viele, viele Menschen und möglichst viele, viele Meinungen? So war das zu ihrem Beginn. 72 Jahre später attestiert ein 30-jähriger seiner eigenen Partei, genau dieses Wesen verloren zu haben und ruft eine dringend nötige Erneuerung aus. Diese Erneuerung soll keine Alibi-, keine Marketingaktion, sondern ein echter Umbruch, eine echte Veränderung sein. Die historisch starken Bünde und Landeshauptleute sollen entmachtet und in ihren Befugnissen beschnitten werden. Die Macht wird aus der Peripherie direkt in die Parteizentrale und in die höchsten Gremien geholt. Die langsam gewachsene, breit aufgestellte, demokratisch anmutende und deshalb so lähmende Parteistruktur soll endlich brechen. Der parteiinterne Stillstand soll weichen. Jugendliche Attribute wie schnelle Entscheidungen, Offenheit, Beweglichkeit, Flexibilität und Vorwärtsdrang sollen kommen.
Die Erneuerung wird jedoch nicht nur intern, sondern auch im Außen schnell sichtbar. Nach einigen Tagen (medialer und nationalratsmässiger) Pause, tritt Neo-Parteichef Sebastian Kurz vor die Kameras und präsentiert erste neue Namen. Sein langjähriger Wegbegleiter Axel Melchior, der als ausgepuffter Stratege gilt, wird zum schwarzen Geschäftsführer. Die eloquente, polit-erfahrene und ebenfalls Kurz-getreue Elisabeth Köstinger wird Generalsekretärin und damit das sympathische Gesicht nach außen. Bei der offiziellen Präsentation bleibt Melchior im Publikum, er ist kein Mann für die Bühne, eher der Mann fürs Hinterzimmer – dort wo die Pläne ausgeklügelt werden. Köstinger steht am Pult, direkt neben ihrem Chef Sebastian Kurz. Zwei junge Menschen. Zwei gutaussehende Menschen. Zwei Menschen, die von außen Betrachtet für alles, nur nicht für jahrelangen Parteimief stehen. Kein Wunder also, dass ihnen die Herzen vieler zufliegen, die den Schwarzen eigentlich schon die Liebe gekündigt hatten. Im Hintergrund der Szene findet sich im Übrigen ein Türkises Banner mit der schwarzen Aufschrift Die neue Volkspartei. Mehr sichtbare Neuerung geht nicht.
Mit Melchior und Köstinger hat Parteichef Kurz nun also fast alle Positionen ausgetauscht, die bei Wikipedia ganz oben erscheinen. Aber eben nur fast. Als Klubobmann wird noch immer ein gewisser Reinhold Lopatka angeführt. Ebenso als Stellvertretender Vorsitzender. Genauso wie Johanna Mikl-Leitner. Lopatka und Mikl-Leitner das sind Namen und Gesichter, die die Liebe vieler Bürgerlicher in den letzten Jahren auf eine harte Probe gestellt haben. Beide gelten und wirken, wann immer sie sich öffentlich zu Themen äußern als Hardliner. Von fehlendem Parteimief, Offenheit, Beweglichkeit und Flexibilität keine Spur.
Es bleibt also spannend, nicht nur bis zur anstehenden Wahl am 15. Oktober, wie es mit der einstigen Großpartei und ihrer Back-to-the-roots-Erneuerung weitergeht. Ist wirklich drin was draufsteht? Wird der Erneuerungsdrive anhalten? Kann der Neo-Chef seine Versprechungen wahrmachen und die konservativ-bürgerliche Großpartei öffnen, für die besten Köpfe des Landes?
Die Generation Kinder Schokolade hat übernommen. Bisher hat sie ein großes Überraschungsei mit sympathisch grinsenden, jugendlichen Gesichtern auf der Verpackung produziert. Schön langsam wird es Zeit das Geheimnis zu lüften – wer oder was die Neue Volkspartei nun ist. Denn wenn ich etwas hasse, dann böse Überraschungen!
Im Idealfall haben zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes Sebastian Kurz und sein Team Inhalte und Köpfe präsentiert. Die Zeilen weiter oben darf man trotzdem lesen. 😉

Titelbild: (c) Sebastian Kurz, flickr.com 

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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