Episode 3: Evergreen
Die uneingestehbare Gemeinschaft der Rivalen zwischen Start- und Ziellinie bleibt ein Geheimnis, in das nur die Rennläufer selbst eindringen. Erst dann, wenn das stramm über die Bahn gespannte Zielband wie ein Jungfernhäutchen und besagte Anderswelt kurz gespürter Solidarität gleich mit zerrissen werden, ergreifen grenzenloses Vergleichen und Neiden ihre Macht. Augenblicklich vergessen sie im Eifer um die Lorbeeren ihre zerbrechlichen Brückenbruchstücke, die sie von einem rasenden zum anderen Herzen schlugen. Amnesie hüllt die Defloration ihrer glückseligen Verschmelzung gepaart mit dem Gefühl anonymer Vergewaltigung. Platziert auf Einmanneisschollen treiben sie schließlich, jeder für sich verlassen, gemeinsam unter jenem Lehrsatz wie gefallene Herbstblätter unter morschen Holzbrücken hindurch, der jeden Tag aufs Neue in obligatorischer Zweideutigkeit an der Stirnseite aller Institutseingänge und Hörsäle eingemeißelt wird: „Bück dich hoch und trete zur Seite, denn Feinheit des Geistes rührt von Niedertracht.“ Feierlich schreitet dannen die Prozession mit unverweslichen Plastikblumen zum Büro der Institutsleitung. Das ist nämlich der Ort, an dem die Ideen immer blühen. Prachtvoll in Kaisers neuen Kleidern gewandet wartet dort die geistige Buhlschaft hinter einem Limes von Apple Bildschirmen in Übergröße auf die gerade noch in der Maske befindliche Brut, die schließlich als Circe bemalt das Werben eröffnet. Verlegene Blicke der Sympathie, die unter den noch Gleichgestellten zugeworfen werden, tropfen wie schwarze Tinte in die glasklare Quelle beschworener Stellenknappheit, fasziniert von den Durchbrüchen der schon längst Durchgebrochenen.
Titelbild: (c) Thomas Sojer