Episode 5: Die Träne des Phänomenologen
Sie sprach: Ich bin die intelligenteste Erscheinung der Welt, denn ich arbeite an einer Universität. Ich bin, alles Nicht-Ich ist bloß Universität. Mehr noch: Ich denke, also ist Universität. So erfährt beispielsweise auch die durch Institutsgelder subventionierte Heftklammermaschine ihre Erfüllung erst durch mich: es deckt sich, wozu sie intendiert war, mit dem, was sich zeigt, identifiziert und vollzogen in der Leiblichkeit meines Fleisches. Zentimeter um Zentimeter offenbart sich die Regel der Reihe ihrer Erscheinungen im Eidos der Kupferstriche, die zunehmend meinen ganzen Körper säumen. Sie bohren sich, wenn auch nicht intentional doch sehr wohl von innen spürbar, voll noetischer Schmerzlichkeit in meinen Arm. Vorstellung, Urteil und Gemütsbewegung verschmelzen und enthüllen das Sichtbare mit dem Unsichtbaren. Es beginnt meine Einklammerung und sie ist epochal. Dabei steht nicht Merlot Pont Chalet auf dem Tisch, es ist billiger Zweigelt aus dem Tetrapack, doch wird er durch die Ambiguität meiner sich selbst berührenden Hände gleichsam als Merlot Pont Schluck für Schluck geleert. Mein Verlangen nach dem ganz Anderen ertränkt sich selbst im roten Strom, moselos. Ja, ich habe mich flüssiger Ethik verschrieben und meine Gliedmaßen zugetackert. Doch kann ich das phänomenologisch recht gut erklären. Ich kann, weil ich Edmunds Prolegomina völlig missachte und die Grenzen seiner Phänomenologie ignoriere. Der Arme. Mit Schalmei er trabe wie ein trauriger Faunus und besinge sein Leid über das gestohlene Erbe.
Titelbild: (c) Thomas Sojer