Wo die Ideen blühen #6: Institutskinder

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Episode 6: Institutskinder

Galina ist dreizehn Jahre alt. Ihr Vater ist Slawist. Sie kennt das Institut. Sie kennt alle Institutsmitglieder. Seit die Universität Kettenverträge eingeführt hat, gibt es nur mehr wenige, die wie Galina stolze dreizehn Jahre am Institut vorweisen können. Jeden Sommer fährt eine überschaubare Gruppe von Mitarbeitern gemeinsam auf Urlaub. Meistens fahren sie ans Schwarze Meer, Nordufer versteht sich. Galina kennt auch die Krim, bevor sie russisch wurde. Die Kinder der anderen fahren auch mit. Dieses Jahr hat sich die Tochter vom Institutsleiter durchgesetzt. Sie ist jetzt Fünfzehn und hat keinen Bock mehr.  Galina beneidet sie. Nächstes Jahr will Galina das auch probieren. Die Zwillinge von der Sekretärin fahren heuer zum ersten Mal mit. Galina hält sie für gestört. Bei der letzten Weihnachtsfeier beim Institutsleiter zu Hause haben sie versucht, ihr Kleid anzuzünden.  Die neue Doktorandin bemerkte das und schnappte sich die beiden. Sie ist überhaupt die einzige, die Galina eigentlich mag vom Institut. Aber sie darf noch nicht auf Urlaub mitfahren. Denn Privaturlaub mit der Professorenkurie setzt als Minimum eine Habil voraus. Manchmal, wenn Galina vor dem Hörsaal auf ihren Vater wartet, während er noch Fragen von Studentinnen beantwortet, fragt sie sich, wie es wohl sei, ohne russische Literaturgeschichte und Sankt-Petersburg-Exkursionen aufzuwachsen. Gottseidank ist Mama Amerikanerin und hat es nicht so mit Russland, anstatt der Institutsurlaube besucht sie immer Oma in Kansas.

Titelbild: (c) Thomas Sojer

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