Wissenschaft ist Zeit-Business. Studiendauer wird als Intelligenzquotient gehandelt. Die Länge einer Publikationsliste ist erst von Bedeutung, wenn auf eine Zeitleiste übertragen. Der Faktor Zeit lanciert in Debatten als Neuerfindung der Moderne und tarnt sich hinter dem Begriff ‚Fortschritt‘ als lineare Entwicklung. Ein Blick auf den akademischen Alltag offenbart jedoch, dass universitäres Zeitverständnis hochgradig zyklisch fungiert; damit wie die Universität selbst im Strukturdrang des Hochmittelalters seine Wurzeln hat. Wissenschaft ist Laufbandarbeit, jede Unterbrechung gilt als unverzeihbarer Verlust. Interessanter Weise erleben wir heute einen Paradigmentausch zwischen Forschung und Wirtschaft. Während letzteres vermehrt auf die Kraft des freien Denkens setzt, zeigt sich ersteres als Mechanismus festgefahrener Denkstrukturen. Innovation wechselt auf den freien Markt. Labor und Hörsaal werden hingegen zunehmend von einem Produktionsfokus bestimmt. Immer stärker operiert Wirtschaft mit einem linearen Zeitbegriff, der Brüche, Umwege, Zwischenstopps als notwendige Schritte erkennt. Die Universität sieht sich hierbei als Magd der Wirtschaft und versucht ihrem Feudalherrn eine höchstmögliche Output-sicherheit zu gewährleisten. Dieser Anspruch des permanenten Laufes beinhaltet gleichzeitig ein unschlagbares Machtinstrument um ebendiesen aufrecht zu erhalten: das systemische Warten. Pierre Bourdieu entlarvt das Warten als Mittel der Kontrolle : „Making people wait, delaying without destroying hope is part of the domination.” Akademisches Leben entpuppt sich als ein Tanz, der Takt ist bestimmt von Fristen, der Tänzer harrt auf seinen Einsatz und darf keinesfalls zu langsam sein. Der Uhrzeiger dirigiert.
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