Der Visual Turn bestimmt nicht nur Sozial- und Geisteswissenschaften, er reüssiert als das Hot Topic in der Mathematik. Compressed Sensing, Dicitionary Learning und Sparse Approximation verbindet das Bestreben mit mathematischer Raffinesse übermächtige Daten- und Informationsfluten von Bildern in eine handhabbare Hosentaschenversion zu gießen. Die exponentiell wachsende Bilderwelt um uns herum drängt an die Grenzen menschlicher und maschineller Verarbeitungsfähigkeiten. Während die Quantenphysiker mit ihren klitzekleinen Quantencomputern versuchen, die numerische Kolosse mit entsprechender Hardware physisch handhabbar zu machen, tüfteln die Mathematiker in ihren Think Tanks daran, mit Bleistift, viel Radiergummi und einer Seite Papier die großen Fragestellungen der Gegenwart geistig auf Augenhöhe runter zu brechen. Es erinnert an die Tugend des rasoir des nominaux, wie sie der französische Empirismus formuliert hat: Eine Welt, die zunehmend komplexer wird, schafft ein Desiderat der Einfachheit. Forschung wird hier wiederum zum principe de simplicité. Doch spiegelt die Universität ihren neuen alten Ruf nach Einfachheit wider? Ein System, das an Kompliziertheit und kafkaesker Absurdität kaum zu übertreffen ist, möchte eine Geistes- und Lebenshaltung des einfachen Denkens beherbergen. Ich empfinde die Vorstellung des Mathematikers mit Stift und Zettel voll unsagbarer Romantik durchwoben und fühle mich ansatzweise ertappt, weil ich diese Qualität des Einfachsten als toten Winkel in unserer akademischen Welt nahezu vergaß. Kurz, wann hören wir endlich auf so furchtbar kompliziert zu sein und bringen die Dinge auf den Punkt?
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